So spendet Österreich

Warum und wieviel spenden die Österreicherinnen und Österreicher? Wofür wird am liebsten gespendet? Welche NPOs erhalten die meisten Spendengelder?

Im Kurier vom 25.12.2019 bin ich über einen Artikel zum Thema „Spenden – so hilfsbereit war Österreich noch nie“ gestolpert. In dem Artikel geht es darum, wieviel und für welche Zwecke in Österreich gespendet wird. Leider handelt es sich um einen Pay-Artikel, es wird jedoch u.a. auf den frei verfügbaren Spendenbericht 2019 des Fundraising Verbandes Austria
(= Dachverband der Spendenorganisationen Österreichs) Bezug genommen.

Ich habe mir den Bericht 2019, der mir als Quelle für diesen Beitrag dient, heruntergeladen – ein durchaus interessanter Einblick in das Spendenverhalten von uns Österreichern.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Spendenvolumen 2019: 700 Mio eur
  • Top 5 der Spendenempfänger 2018: Österr. Rotes Kreuz, Caritas, SOS Kinderdorf, Ärzte ohne Grenzen, Dreikönigsaktion
  • Durchschnittshöhe der Spenden pro Jahr: 113 eur
  • 215 Mio eur werden in Summe jährlich steuerlich geltend gemacht und damit nur jeder dritte Spendeneuro)
  • 64% der Bevölkerung engagieren sich durch Spenden
  • 46% sind als freiwillige Helfer aktiv („Zeitspende“)
  • Stärkste Motive: Transparenz, wofür eine Organisation eintritt und die Sicherheit, dass die Spende zweckgerichtet ankommt
  • Beliebteste Spendenzwecke: Kinder, Tiere, Katastrophenhilfe, Obdachlose
  • Beliebteste Spendenart: Erlagscheinspende

Die Gesamtsumme von 700 mio eur hat mich doch – positiv – überrascht.

Entwicklung 2019 – die Kleinen haben es schwerer

Das Spendenvolumen konnte in den letzten Jahren von 350 Mio. eur (2008) auf 700 Mio eur (2019) verdoppelt werden. Als Gründe dafür nennt der Bericht die steigende Höhe der Durchschnittsspenden, die erweiterterten Fundraisingmassnahmen des Kultur- und Hochschulsektors sowie steigende Testamentsspenden.

Allerdings können nicht Alle von dieser Entwicklung in gleichem Maße profitieren. Kleinere Einrichtungen verlieren gegenüber größeren:
Hohe Auflagen bei der Spendenabsetzbarkeit und der DSGVO kosten Zeit und Ressourcen. Auch fehlende Fundraisinginvestitionen werden als mögliche Gründe angeführt.

Spendenverhalten in Österreich – es gibt auch Unterschiede zwischen Frau und Mann

  • 21 % spenden regelmäßig, 61% anlassbezogen, 18 % beides
  • Frauen spenden mehr für Kinder, Tiere oder religiöse Vereinigungen.
  • Männer spenden überwiegend für Katastrophenhilfe, Sport, Kunst/Kultur/Freizeit sowie für Parteien/Bürgerinititativen

Frauen spenden öfter, Männer größere Beträge.

Philippe Tobler, MD, Oh.D Associate Professor of Neuroeconomics and Social Neuroscience, Universität Zürich – Interview Spendenbericht 2019 Fundraising Verband Austria

Für mich persönlich muss ich sagen, dass ich in meinem Umfeld keinen geschlechtsspezifischen Unterschied beim Spenden nennen könnte.

Motive beim Spenden bzw was Spendern wichtig ist

Zur Einleitung ein Video aus 2018 von Fundoffice – die Fundraising Agentur zum Thema „Warum spende ich?“

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Spendenmotivation: Warum spende ich?
  • Das Wissen, wofür eine Organisation eintritt – Transparenz
  • Sicherheit über den Verwendungszweck der Spende – was passiert konkret mit meiner Spende, welche Projekte werden gefördert, etc.
  • Sympathie mit der jeweiligen Organisation
  • Betroffenheit durch Einzelschicksale
  • Solidarität mit den Armen und Schwachen
  • das Bedürfnis, Anderen in Not zu helfen
  • Aversion gegen Ungleichheit in der Verteilung des Reichtums
  • das positive Gefühl, etwas Gutes zu tun
  • aber auch die Verbesserung des eigenen Rufes und das Vermeiden von Schuldgefühlen können Motive sein

Die Liste ist imho natürlich nicht vollzählig – wahrscheinlich könnte man ganze Bücher über die Motive des Spenders schreiben. Es gibt auch unzählige Artikel im Netz zu diesem Thema, zb hier in einem Artikel auf der Seite von Altruja, einem deutschen Anbieter von Software für den Bereich des Online-Fundraising . Gefunden habe ich auch eine sehr interessante Diplomarbeit zu diesem Thema (Birgit Rath, 2014, Rahmenbedingungen am Österreichischen Spendenmarkt)

Die Zukunft des Spendens ist online – Apps & More

  • Stärkere Einbindung des Online Bereiches: Laut aktueller Altruja-Studie wird Online-Fundraising 2019 von den befragten Organisationen erstmals als der wichtigste Spendenkanal der Zukunft gesehen.
  • Online-Fundraising als Kanal abseits des herkömmlichen Spendenbriefes wird immer wichtiger – derzeit sind für 80% der NPOs Facebook und Newsletter die wichtigsten Sprachrohre im Bereich des Online-Fundraising.
  • Es werden verstärkt „Apps“ für soziales Engagement im Online-Bereich entwickelt, als Beispiele seien genannt:
    Let´s Act: Kontaktherstellung für soziales Engagement in der direkten Umgebung oder global
    Moving Twice: Helfen durch Laufen – mit jedem gelaufenem Kilometer wird ein Projekt von Sponsoren unterstützt.
    Share the Meal: mit dieser App des World Food Programm der Vereinten Nationen kann man sehr einfach Geld für Mahlzeiten spenden (es kostet laut App nur 40 Cent,um ein hungerndes Kind für einen Tag zu ernähren!) – siehe Video unten.
  • Seiten wie betterplace.org bieten auch kleineren Projekten die Möglichkeit, sich zu präsentieren und Spenden zu sammeln
  • eine gute Idee verfolgt auch die Seite „Jugend hackt“ – unter dem Schlagwort „mit Code die Welt verbessern“ will diese Initiative junge Menschen im verantwortungsbewussten Umgang mit Technik bestärken, um damit Lösungen für gesellschaftspolitische Fragen zu finden.

Als Beispiel für eine App sei an dieser Stelle nochmals Share the Meal genannt – in diesem Video wird erklärt, worum es geht:

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Share The Meal auf YouTube

Anmerkung zu den Apps und den genannten Seiten:
Ich finde dieses Thema extrem spannend und möchte gerne einen eigenen Beitrag dazu schreiben. Daher gehe ich hier noch nicht im Detail darauf ein, zumal es das Thema dieses Beitrages sprengen würde.

Spendensicherheit: Transparenz ist gefragt

Eine wesentliche Spendenmotivation stellt die Gewissheit dar, dass die Organisation verantwortungsvoll und transparent mit dem Geld umgeht und die Spende auch dort ankommt, wo sie benötigt wird.
NPOs, die sich freiwillig einer unabhängigen Prüfung unterziehen, erhalten in Österreich das Österreichische Spenden-Gütesigel.

Eine kurze Erklärung bietet dieses Video von der OSGS Homepage bzw der YouTube Plattform:

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Das österreichische Spendengütesigel
  • Gesamt führen derzeit 271 NPOs das Spendengütesiegel
  • von den 100 größten Einrichtungen führen 74 das Spendengütesiegel
  • Die Prüfung erfolgt durch 155 unabhängige Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
  • Die Prüfung ist nicht kostenlos – zu den von OSGS verrechneten Gebühren kommen noch die Honorare für den Steuerberater/Wirtschaftsprüfer. Für kleinere Organisationen kann dies einen verhältnismäßig hohen Aufwand darstellen, siehe auch diesen Standard Artikel vom 31.10.2018.

Natürlich hat das Spendengütesigel auch seine Grenzen. So schreibt der von mir sehr geschätzte Andreas Sator in seinem Buch „Alles Gut?!“:

Es (das Spendengütesigel, Anm der Verfassers) prüft, ob Organisationen seriös, nicht aber, ob Projekte sinnvoll sind.“

aus Alles Gut?!, Seite 134, Autor Andreas Sator, Verlag Kremayer & Scheriau GmbH & Co KG, Wien

Weitere Infos zum Thoma auf www.osgs.at, der Homepage des Österreichischen Gütesiegels.

Spendenabsetzbarkeit – nur jeder dritte Spendeneuro wird abgesetzt

Der Möglichkeit, Spenden von der Steuer absetzen zu können, wird im Bericht hohe Bedeutung beigemessen. Eine kurze Einführung in das Thema bietet dieses Video der Caritas:

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Spendenabsetzbarkeit – erklärt von der Caritas
  • Knapp 6.000 Organisationen befinden sich derzeit auf der Liste der spendenbegünstigten Organisationen
  • 94% des Gesamtspendenaufkommens von 700 Mio eur wären grundsätzlich spendenbegünstigt
  • Rund 1 Mio Menschen machten 2018 ca 215 Mio eur geltend – d.h. nur jeder dritte Spendeneuro wird somit abgesetzt – hier gibt es noch Luft nach oben.
  • Durchschnittlich abgesetzter Betrag = 212 eur
  • 85% aller abgesetzten Spenden sind kleiner als 200 eur, nur 2% der Spenden sind größer als 1.000 eur
  • es gibt – überraschenderweise – keinen messbaren signifikanten Einfluss der Spendenabsetzbarkeit auf das Spendenvolumen.

6% aller Spenden in Österreich oder 42 mio eur  verteilen sich auf nicht begünstigte Zwecke wie Tierschutz, Bildung oder Sport –> diese Bereiche fühlen sich daher stark benachteiligtsiehe auch hier ein entsprechender Aufruf von Vier Pfoten.
Laut einer aktuellen Stude der Eco Austria könnte die Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit auf Bildung jährlich 35 Mio mehr für gemeinnützige Projekte in diesem Bereich bringen. Dem stünden staatliche Steuerausfälle von lediglich 10-15 Mio eur gegenüber.

Noch ein Hinweis: Auf der Seite www.spenden.at findet sich ein Onlinerechner zur Berechnung des persönlichen Steuervorteiles.

Die spendenseitig 10 grössten NPOs Österreichs 2018

Anmerkung: Die Zahlen beinhalten jede Art von Spenden (Geld/ Patenschaften/Sachspenden/Mitgliedsbeiträge uä).
Angaben in Mio eur.

  1. Österreichisches Rotes Kreuz 72,87
  2. Caritas Österreich 71,70
  3. SOS Kinderdorf 37,42
  4. Ärzte ohne Grenzen 23,53
  5. Dreikönigsaktion 17,61
  6. Licht ins Dunkel 15,47
  7. Greenpeace 15,20
  8. Licht für die Welt 11,09
  9. St Anna Kinderkrebsforschung 10,72
  10. Vier Pfoten 10,43

Die ersten 10 der Liste erhalten somit rund 40% des gesamten Spendenaufkommens.
Im Bericht werden darüber hinaus die 100 grössten NPOs angeführt. Man sieht, dass es nach den ersten beiden NPOs schon einen deutlichen Abstand zum Dritten gibt. Überraschend war für mich auch, dass die Dreikönigsaktion mehr erwirtschaftet hat als das – zumindest aus meiner Sicht – medial viel präsentere Licht ins Dunkel.

Spendentipps

Hören Sie beim Spenden auf Ihr Herz!

Spendenbericht 2019, Seite 24, Fundraising Verband Austria

Zu guter Letzt werden im Jahresbericht noch allgemeine Spendentipps gegeben:

  1. Hören Sie beim Spenden auf Ihr Herz. Was ist Ihnen wichtig?
  2. Nachhaltig spenden: Suchen Sie sich eine oder zwei Organisationen aus, die Sie gerne fördern möchten, und bleiben Sie ihr treu. So bleibt auch der Verwaltungsaufwand gering
  3. Teilen Sie Ihren Steuervorteil: Geben Sie diesen in Form einer höheren Spende weiter.
  4. Geben Sie eine Mindestspende.
  5. Achten Sie auf das Spendengütesigel.
  6. Schauen Sie, was Ihre Spende bewirkt – schauen Sie in die Jahres- oder Projektberichte der Organisationen
  7. Überlegen, ob man frei oder zweckgebunden spenden möchte.
  8. Als Geschenkidee: Im Namen des Beschenkten spenden
  9. Testamentsspende als Möglichkeit in Betracht ziehen.
  10. Lieber Geld überweisen als am Bankschalter in bar einzahlen (Kosten!)

Tipps zum Thema Spenden findet man zu hauf im Netz. Interessent sind auch Seiten wie effektiv-spenden.org , die sich sehr eingehend mit dem Thema des sinnvollen Spendens beschäftigen. Vielleicht mache ich mal einen eigenen Beitrag dazu.

Fazit:

Ich fand es sehr interessant, den Spendenbericht einmal etwas genauer durchzugehen. Positiv überrascht hat mich die Höhe des gesamten Spendenvolumens von rund 700 Mio eur. Mir war auch nicht bewusst, um welche Beträge es für die einzelnen Institutionen geht. Bemerkenswert fand ich auch, dass nur jeder dritte Spendeneuro steuerlich geltend gemacht wird.

Sehr spannend finde ich den Bereich des „Online-Fundraising“ mit diversen Apps und den Ideen, die dahinter stehen. Heute habe ich mir die „Share The Meal“ App heruntergeladen – über die ersten Eindrücke werde ich separat schreiben.

Bei den Recherchen für diesen Artikel bin ich auch auf das Thema „Effektiver Altruismus“ gestossen (siehe auch die Homepage des österreichischen Vereines zur Förderung des Effektiven Altruismus). Hier geht es im Kern um Fragen wie:
„Ich habe 100 EURO zur Verfügung, die ich spenden kann. Wem gebe ich sie, damit der maximale Nutzen erreicht wird? Unterstütze ich besser Obdachlose in Wien oder spende ich es für Kinder in Afrika, oder für eine medizinische Einrichtung, die an AIDS erkrankte Menschen behandelt? Wo ist der Nutzen am grössten? Oder teile ich das Geld besser auf?“
Zum Vergleich der Wirksamkeit wird das sogenannte „qualitätsorientierte Lebensjahr“ verwendet, das sich aus einer mathematischen Formel errechnet.

Hier bin ich für mich selbst noch nicht ganz schlüssig. Zweifelsohne ist es gut, sich über die Effizienz der Spenden Gedanken zu machen. Aber dann anhand einer mathematischen Formel zu entscheiden, wofür man spendet? Irgendwie ist mir der Ansatz „Hören Sie auf Ihr Herz – was ist Ihnen wichtig?“ näher, vertrauter. Auf jeden Fall lohnt es sich, darüber nachzudenken.

Schlussendlich aber – und damit komme ich zum Ende des Artikels – zählt der Wille, zu geben, wie Wilhelm Busch so treffend meint:

Doch guter Menschen Hauptbestreben
ist, andern auch was abzugeben.

Wilhelm Busch (1832-1908)

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